studienreise nach China:

Es ergab sich für mich im Jahre 1995
 die Gelegenheit einer Studienreise nach China,
dem Ursprungsland der Fußreflexzonenmassage.

Reisebericht veröffentlicht im Fuss-Journal
Mitgliederzeitschrift der Vereinigung Freier Fußpfleger/innen e.V.
 

Lisa-Lu (die einzige mit diesem Namen von ganz China- so stellte sie sich uns vor -),  erwartete unsere Gruppe am Flughafen von Shanghai. Sie würde uns begleiten und viel über ihr Land berichten. Lisa-Lu verteilte rosa Bändchen, die wir an unsere Koffer zu befestigen hatten, bevor wir ohne selbige  in den „Transrapid“ geschoben wurden. Das war dieser Schnellzug, der 430 km !!! pro Stunde fahren sollte.

Vom 10-Stunden-Nachtflug nicht ganz hellwach ließen wir es geschehen.Diese Mischung aus Flug und Schnelligkeit auf der Schiene löste in mir Unbehagen aus. Ich spürte mich zu rasant fortgezogen, mein Magen rebellierte. Die Landschaft in der Ferne war gut zu erkennen, aber alles um uns herum verschwamm oder löste sich auf in langgezogene Schatten. Angst verspürte
ich nicht, aber so recht  genießen konnte ich diese Art der Fortbewegung nicht.
 
Wach bleiben bis in den Abend hinein sollten wir sein, um den richtigen Rhythmus zu finden. Eine Stadtrundfahrt folgte am Tage  und am Abend fuhren wir noch einmal durch eine unglaublich neon-bunt- beleuchtete 18-Millionen Stadt. Die vielen neu erbauten Hochhäuser und Straßen auf Brücken zum Teil 3-fach übereinander mit Blumentöpfen an der Seite, beeindruckten uns sehr. Es war so, als ob wir uns in einem utopischen Film befanden. Die Zeitrealität begann sich aufzulösen.

Lisa – Lu  führte uns am nächsten Tag durch
eine alte Anlage eines Jade-Buddha-Tempels
mit seinen kostbaren Figuren aus weißer Jade. Die Bedrohung durch Dämonen wurde in alter Zeit sehr stark empfunden und lässt sich an den Eingängen solcher Anlagen leicht erkennen. Fast alle verfügen über eine „Geistermauer“, die als kleine parallele Wand hinter dem Eingangstor den direkten Zugang verwehrt. Um auf das Gelände zu kommen, muss der Besucher nun einen Schlenker machen – eine Hürde, an der Geister scheitern müssen, denn sie können prinzipiell nur geradeaus laufen. Als weitere Vorsichtsmaßnahmen dienen extrem hohe Türschwellen, die dem Besuch aus dem Jenseits ebenfalls einen wirkungs- vollen Riegel vorschieben. Geister können Ihre Füße nicht heben und müssen so an der Schwelle umkehren.

 
Auch wenn die Volksrepublik China sich selbst als atheistischen Staat definiert, spielen Glaube und Spiritualität eine große Rolle im Alltag der Menschen.

Ahnenkult und der damit verbundene Geisterglaube haben für den Alltag eine große Bedeutung. In der Regel besitzt jede Familie einen kleinen Hausaltar, wo den Ahnen verschiedene Nahrungsopfer und Räucherstäbchen dargebracht werden.Zu besonderen Anlässen verbrennt man Opfergeld, in US-Dollar ausgestellt! (Dieser Währung traut man am meisten zu) So soll dem Adressaten das nötige Kleingeld im transzendentalen Portemonnaie verschafft werden. Hin und wieder werden auch andere Papiergegenstände geopfert, z.B. Autos, Waschmaschinen und andere Nützlichkeiten, auf die auch die Toten nicht verzichten möchten.

Verkrüppelte Schönheiten: Die „Lilienfüße “
Sie sind selten geworden, doch hin und wieder gibt es in China immer noch alte Frauen, deren Füße in jungen Jahren „gebunden“ wurden, um dem Schönheitsideal des Alten China zu entsprechen. Im Alter von fünf bis sechs Jahren wurden den Mädchen die Zehen unter die Fußsohle geknickt und fest bandagiert – ein extrem schmerzhafter Prozess, der oft dazu führte, dass die Knochen brachen und die Füße teilweise abstarben. Die nunmehr faustgroßen Lilienfüße waren die intimste Stelle des Frauenkörpers und ein wichtiges Kriterium bei der Heirat. Je kleiner der Fuß, desto besser. Bauersfrauen blieb diese Tortur erspart, sie wurden als Arbeitskraft gebraucht
Der wiegende und unsichere Gang einer „gebundenen“ Frau galt als erotisch. Diese Tradition hatte katastrophale Auswirkungen, die Frau war nicht mehr in der Lage zu arbeiten, ja nicht einmal den Haushalt oder die Kindererziehung allein zu bewältigen.

Mit der Machtübernahme der Kommunisten begann über Nacht eine neue Ära.  M a o hatte den Frauen „die Hälfte des Himmels versprochen“ und hielt Wort:
Konkubinat,arrangierte Ehen, Kindsheirat, Füßebinden – alle diese jahrhundertealten Traditionen wurden mit dem  Ehegesetz von 1952 abgeschafft Ganz uneigennützig war die
Emanzipation nicht: nach einem halben Jahrhundert Chaos lag China wirtschaftlich am Boden, jede Arbeitskraft wurde gebraucht. Chinas Frauen lernten nun lesen und schreiben, wurden berufstätig und hielten zum ersten Mal in der Geschichte eigenen Lohn in der Hand.

Lisa-Lu war eine sehr gebildete junge Frau, deren Eltern ihr ein Studium für Deutsche Geschichte ermöglicht haben. Sie war sehr fleißig, wie sie uns erzählte und musste sich mit acht Studentinnen ein Zimmer mit Stockbetten teilen für ca. drei Jahre. Sie sprach ein gutes Deutsch und erzählte uns von den Schwierigkeiten, unser „R“ zu artikulieren. Geübt wurde mit Wasser im Mund nach dem Zähneputzen.   Sie war ein liebenswürdiger Mensch, sehr höflich und sie sprach von ihrem Buddha, Religionen durften wieder ausgeübt werden.


Worte des Konfuzius: ( bis 479 vor Christus)
„Nur die Weisesten und Dümmsten können sich nicht ändern“



Lisa-Lu erzählte uns viel über ihr Land z.B. auch über die Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung. Nur 15 % aller Chinesen besitzen eine Krankenversicherung. Viele Chinesen achten darum sehr auf ihre Gesundheit.  Dort, wo es keine Ärzte oder Krankenhäuser gab, wurden „B a r f u ß ä r z te“ eingesetzt. Sie hatten eine minimale Ausbildung, konnten aber die wichtigsten Krankheiten erkennen.

Für die traditionelle chinesische Medizin begann ein Comeback nicht nur in China, sondern auch im Westen wurde die TCM immer mehr anerkannt.

 

 „Die Füße sind das 2. Herz des Menschen“, „ Dort wo deine Füße stehen, beginnt auch die Reise von tausend Meilen“, so sagt man in China 
 
  

Am Abend eines anstrengenden Tages in Shanghai verspürten unsere Füße Lust auf  eine Fußreflexzonenmassage.

Lisa-Lu organisierte für eine Gruppe von 10 Reiseteilnehmern so eine besondere Massage. Wie besonders sie werden würde, war niemandem von uns klar. Im Gesund- heitscenter angekommen, wurden wir in einen Raum geführt, der genau 10 Liegepolsterstühle hatte. Wir verteilten uns auf diese sonderbaren Sitz- Liege- möglichkeiten und harrten der Dinge. Zehn Chinesen kamen herein, jede Frau bekam einen jungen Chinesen, die männlichen Besucher bekamen eine junge Chinesin zugeteilt. Wir lehnten uns zurück, unsere Füße wurden in Holzbottiche mit warmen Wasser gestellt.

Dann begannen unsere Masseure im jeweils gleichen Rhythmus auf unsere Nacken und Schultern !!! zu trommeln. Da trommelten zehn Chinesen auf zehn müde Menschen ein, die sehr überrascht waren. Sie trommelten und beklopften auch noch die ganzen Arme hinunter bis zu den Fingern, die dann einzeln durchgeknetet und gestreckt wurden. Das war ungewöhnlich, aber noch einigermaßen erträglich. Zur Akustik des Trommelns kamen die Schmerzenslaute der Menschen.

Meinem Trommel-Masseur lief die Nase und er schniefte andauernd, dazu perlte ihm Schweiß nicht nur von der Stirn. Bei wiederholten Versuchen die Augen zu schließen, konnte ich nicht unterscheiden, ob sein Nasenwasser und Schweiß sich mit dem Massageöl auf meiner Haut vereinigte. Ich versuchte mich von dieser Vorstellung freizumachen und zu entspannen, was kaum möglich war. Mein Nachbar, dem eine kleine Chinesin zugeteilt war, schimpfte, „die soll nicht auf mir herum trommeln, das tut doch weh“. Der deutschen Sprache nicht mächtig trommelten und klopften unsere „Therapeuten“ ohne Erbarmen weiter auf uns herum.

Inzwischen waren die 10 „Trommler“ bei den Waden und Schienbeinen angelangt.
Mein Nachbar schrie auf, „verflixt oben auf dem Fuß brauche ich diese Hammertrommelei
nicht“. Wir wurden nicht verstanden. Das Trommel-Fußprogramm wurde fortgesetzt, alles im gleichen Rhythmus bei allen10 + 10  Personen.  Diese Szenerie war ziemlich grotesk, das Programm wurde eine ganze Stunde durchgezogen.  Ich musste innerlich grinsen und  konnte  einige laute „Lacher“ nicht unterdrücken, wobei ich meinen Therapeuten wohl verunsichert habe, er kam  einige Male aus dem allgemeinen Trommelrhythmus.

Endlich wurden unsere Fußsohlen betrommelt und letztendlich auch durchgeknetet. Anzumerken wäre noch , dass jede Körperregion einen anderen Trommellaut hervorbrachte im Zehnerverbund,  für einige Momente entstand die Illusion eines Trommelworkshops.
Am Ende jedoch fühlten wir uns  angenehm leicht und wie mit frischer Energie aufgefüllt. 



Geschichte der Reflexzonenmassage


Schon seit Jahrtausenden wird die Methode angewandt, auf Stellen des Körpers Druck auszuüben. Man geht davon aus, dass die Reflexzonenmassage vor 5.000 Jahren in China entstanden ist. Die heute praktizierte Massage geht auf die Zonentherapie des US-Arztes Dr. William Fitzgerald zurück, der den Körper in seinem Buch (1917) in zehn Längszonen unterteilte.
Die Physiotherapeutin E. D. Ingham  entwarf im Laufe ihres Lebens, in dem sie sich fast ausschließlich mit dem Thema beschäftigt hatte, eine Art Raster des Körpers auf den Füßen. Mit dieser Minilandkarte des Körpers gilt sie als die Gründerin der modernen Reflexzonenmassage im Westen.

Bei der Reflexzonenmassage steht der Begriff nicht im Bezug zum Nervensystem.Man versteht unter Reflexzonen das Reflektieren, das Wiederspiegeln, des Körpers auf die verkleinernden Fußflächen. Dort gibt es nachgewiesenermaßen Reflexe, die zu jeder Körperpartie in direkter Beziehung stehen.

 


Delikate Hühnerfüße und Höflichkeit in China

Sie werden z.B. in eine chinesische Familie eingeladen. Unter anderem werden gebratene Hühnerfüße serviert. Bevor Sie sich eine geeignete Ausrede einfallen lassen können, werden einige auf ihre Reisschüssel befördert. Da liegen sie nun und ihr Appetit tendiert auf einmal gegen Null. Jetzt ist kulinarisches Durchhaltevermögen angesagt. Sie werden ja als Gast mit den besten Stücken bedient, wobei die Vorstellung, was denn nun eine Delikatesse ist, weit auseinander gehen. Lediglich der Hinweis auf eventuelle Allergien oder rein vegetarische Ernährung kann sie jetzt noch retten. Dank der buddhistischen Tradition der Gastgeber treffen sie damit fast immer auf Verständnis. Absolut daneben wäre die Erklärung, dass Hühnerfüße für
Europäer ekelig sind.  



Begegnungen aus einer anderen Zeit

Nach einem sehr turbulenten Inland-Flug, bedingt durch den Jahreszeitenwechsel und
eine andere Klimazone, erreichten wir am Abend die Stadt Guilin am Li-Fluss.
Dort im Süden, der Perle Chinas, am Li- Fluss in eindrucksvoller Bergkulisse,befindet sich die  Ursprungsregion der Fussreflexzonen – Massage,  wurde uns gesagt.

Am kommenden Morgen wurden wir auf ein kleines Schiff geleitet und  fuhren auf dem Li-Fluss ( Li-bedeutet Klarheit) durch eine  traumhaft schöne Landschaft. Der Fluss durchläuft eine Karstkegelbergregion, die bis zum Gipfel grün bewachsen ist. Wieder stellte sich ein Empfinden der Unwirklichkeit bei mir ein, so als ob wir uns auf einer lebendig gewordenen Postkarte befanden.

Hier auf dem Li-Fluss und in der umliegenden  Region sollte eine starke Dichtung des Chi, des Lebensatems, herrschen. Diese Strahlung bewirkt einen überraschend kräftigen Pflanzenwuchs. Der Reis treibt in einem Monat lange Wurzeln und das Gras wächst in der gleichen Zeit um 20 Zentimeter. Das hoch energetische Feld dieser weitläufigen Zone beeinflusst die Vitalität des Menschen sehr stark. Wir fühlten uns angeregt, inspiriert, staunten und einige bekamen allerdings Kopfschmerzen von dieser sehr hohen Energie.
 
Kormoranfischer fuhren neben uns auf winzigen Booten und ließen die angebundenen Vögel für sich arbeiten. Die langen Hälse der Vögel wurden durch einen Ring verengt, so dass die gefangenen Fische nicht den Hals herunterrutschen konnten. Das passte in diese Gegend und wir hatten den Eindruck, dass Mensch und Vogel eine Einheit bildeten.   


 
Am Li-Fluss in einem kleinen Ort hatten wir endlich einmal Zeit für uns.
Allein waren wir nicht wirklich, aber ohne Begleitung durften wir am Nachmittag den Ort erkunden. Eine laut-bunte Fußgängerzone begann direkt am Garten des Hotels, wir fühlten uns bedrängt von diversen Straßenverkäufern.  
 
Als ob sie mich verfolgen würde und chinesisch sah sie nicht aus,
 die Postkarten- verkäuferin. Schon während der Fahrt durch die Reisfelder, am Vormittag,   begegnete sie mir. Auch dort wurden wir bedrängt von „fliegenden“Souvenirhändlern, die wie aus dem Nichts auftauchten. Sie war auch dabei, die nicht wie eine Chinesin aussah, auch nicht europäisch, irgendwie dazwischen. Minderheiten sollten in dieser Region beheimat sein. Sie fiel mir auf, lächelnd hob sie die Postkarten „two for one“, das war günstig. Sie war jung und trug bunte Kleidung, hatte einen offenen Blick und sie begegnete mir erneut in der Fußgängerzone dieses kleinen Ortes.
„Two for one“, war unsere einzige verbale Verbindung, aber es war mehr als das, unsere Kommunikation lief auf anderer Ebene. Sie hatte nicht das penetrante Auftreten der anderen Straßenverkäufer, sie hielt inne, blickte mich an, eine Spur von Überraschung und Trauer, auch bei mir. Gern hätte ich mehr von Ihr erfahren, wie lebte sie, was dachte sie von SEIN und überhaupt.....

Nachdenklich ging ich weiter. Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit von den vielen bunten Mitbringseln abgelenkt durch eine Melodie von der Straße.Ich erschauerte, meine Nackenhaare richteten sich auf, das konnte nicht sein. Ich trat hinaus auf die Straße der Fußgängerzone. Dort stand ein hippyähnlich gekleideter, langhaariger Mann mit allerlei Musikinstrumenten, die um ihn herumhingen – auch zum Verkauf - , Er spielte auf der Flöte eine Melodie, die meine Kindheit aufleben ließ. Ich stellte mich zu ihm und sang laut den Text dazu,während mir die Tränen herunterliefen. Dieses Lied hatte eine Seite in mir zum Klingen gebracht und der Text passte genau zur Situation
(Das Lied  ---Von Ort zu Ort,  von Land zu Land erklingt ein Lied darein, wir reichen uns die Hände nun und wollen Freunde sein----------)
Eine seltsame Mischung von Gefühlen durchströmte mich, Fassungslosigkeit, Freude. Nichts war mir peinlich, weder meine Tränen, noch mein lauter Gesang auf der Straße. Die Menschen schauten uns zu und es war ganz selbstverständlich

Wenig später löste ich mich aus dieser Wirklichkeit und ging weiter. Dort gegenüber saß eine stille Chinesin meditativ versunken und malte kleine Kunstwerke in eine kleine Flasche hinein. Das würde mir zu Hause niemand abnehmen. Ich bat sie unsere Namen hinein- zuschreiben. In äußerster Konzentration, wie mir schien, schrieb sie meine vorgegebenen Buchstaben. Das geschah mit einer Leichtigkeit und Selbstvergessenheit wie in tiefer Meditation. Fasziniert schaute ich zu, der Lärm der Straße störte sie nicht und für einige Minuten tauchte auch ich hinein in diese ungewöhnlich Stille.


  China-Impressionen von Christa Alex